Saturday, September 29, 2012

Der Tonkrug des Lebens

Schmetterlingshaus in Hamm


Jeden Tag gehen die Frauen aus dem Dorf hinunter zum Fluss. In großen Tonkrügen holen sie Wasser; denn im Dorf gibt es keine Quelle. Eines Morgens schaut eine der Frauen verträumt einem Schmetterling hinterher. Dabei stolpert sie, und der Krug wird beschädigt. Einen zweiten hat sie nicht, auch kein Geld für einen neuen, und so umwickelt sie den Krug notdürftig mit ihrem Tuch. Aber das Wasser tropft an den Bruchstellen heraus, und als sie im Dorf ankommt, ist die Hälfte weg. „Ach“, klagt sie, „was für ein Unglück, warum war ich bloß so unvorsichtig? Alle anderen bringen mehr Wasser nach Hause! Meine Mutter hat Recht, ich bin wirklich zu nichts nütze!“

Eines Morgens aber, als die Frauen wieder zum Fluss gehen, ist der schmale Pfad gesäumt von grünen Gräsern und vielen kleinen Blumen; rot, gelb und weiß leuchten sie. „Das waren Deine Wassertropfen“, lachen die Frauen, „sie haben den staubigen Weg zum Blühen gebracht.“

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